Wie reagiert man, wenn die Grundfesten der globalen Wirtschaft ins Wanken geraten? Diese Frage stellten sich Anfang April 2025 Millionen von Anlegenden, nachdem die Ankündigung drastischer US-Zölle die Finanzmärkte weltweit in Aufruhr versetzt hatte. In einer Live-Sonderfolge des Podcasts „Asset Class“ von ºÚ°µ±¬ÁϹٷ½ analysierte Christian W. Röhl diese komplexe Gemengelage mit zwei Gästen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Noah Leidinger, der junge Host des Podcasts „Ohne Aktien Wird Schwer“, und Helmut Jonen, ein Privatier mit über vierzig Jahren Börsenerfahrung. Aus der Perspektive zweier Generationen entstand so eine tiefgreifende Analyse, die über die tägliche Nachrichtenlage hinausgeht und zeitlose Prinzipien für den langfristigen Vermögensaufbau beleuchtet.
Die Ankündigung aus dem Weißen Haus traf die Märkte mit voller Wucht. Noah Leidinger schildert in der Podcast-Episode, wie er die Verkündung live verfolgte und sofort das Ausmaß der Zölle von bis zu 56 % für China und über 30 % für Europa erkannte. Diese Zollsätze lagen weit über den Markterwartungen und sollten zunächst alle Produkte betreffen. Die Berechnungsmethode, die im Wesentlichen auf dem jeweiligen Handelsbilanzdefizit mit den USA basiert, ordnen Christian Röhl und Noah Leidinger im Gespräch als willkürlich und pseudowissenschaftlich ein.
Die unmittelbaren Folgen zeigten sich schnell, berichtet Leidinger weiter. Zunächst seien vor allem direkt betroffene Unternehmen wie Nike, Apple oder Adidas unter Druck geraten, deren Lieferketten stark von der Produktion in Asien abhängen. Doch nach wenigen Tagen habe der Markt realisiert, dass eine solche Politik – sollte sie Bestand haben – unweigerlich in eine breite Rezession münden würde, die letztlich alle Firmen träfe. Selbst Tech-Giganten wie Meta oder Alphabet wären indirekt betroffen, da schrumpfende Unternehmensgewinne zu geringeren Werbeausgaben führen könnten. Auch der Finanzsektor hätte unter der Angst vor Kreditausfällen und sinkenden Zinsen gelitten. Helmut Jonen ergänzt, dass Zölle letztlich nur Verlierer kennen würden. Zölle führten zu Unsicherheit, bremsten Unternehmensinvestitionen und beeinflussten auch das Konsumverhalten der Menschen, die aus Angst vor Arbeitsplatzverlust den Gürtel enger schnallen würden.
Für Helmut Jonen ist das Zoll-Beben bereits die achte große Krise seiner Börsenkarriere, der er deshalb mit einer bemerkenswerten Gelassenheit begegnet. Er erinnert daran, dass sich die Märkte bislang von jedem noch so tiefen Einbruch erholt haben – sei es nach dem Crash von 1987, der New-Economy-Blase von 2000 bis 2003 oder der globalen Finanzkrise 2008. Während schnellen Abstürzen wie dem Corona-Crash oft auch schnelle Erholungen folgten, warnt Jonen insbesondere vor zermürbenden, langwierigen Bärenmärkten, wie beispielsweise Anfang der 2000er-Jahre.
Die größte Gefahr in solchen Phasen bestehe darin, in Panik zu verkaufen. Wer bei einem Minus von 25 % aussteige, weil die Angst vor weiteren Verlusten überwiegt, werde bei einem Stand von minus 40 % erst recht nicht den Mut zum Wiedereinstieg finden, da die Nachrichtenlage dann noch düsterer sei. Am Ende verpasse man so die oft ebenso schnelle wie heftige Erholung. Die wichtigste Lektion sei daher, investiert zu bleiben, sofern der Anlagehorizont langfristig ist, und sich bewusst zu machen, dass man Anteile an realen Unternehmen mit realen Umsätzen hält. Auch Noah Leidinger, der seine Börsenkarriere erst nach der Finanzkrise begann, betont den Vorteil einer langfristigen Perspektive, die es gerade jüngeren Anlegenden erlaube, solche Phasen als Kaufgelegenheit zu betrachten.
„Buy the Dip“ oder „Cash is King“? Diese Frage beantworten die Experten differenziert. Grundsätzlich sei es sinnvoll, in fallende Kurse hinein zu investieren, sei es durch das Aufstocken von Sparplänen oder gezielten Einzelkäufen. Eine entscheidende Rolle spiele dabei jedoch die individuelle Cash-Quote. Helmut Jonen erklärt, dass er aktuell mit rund 11 % die höchste Cash-Quote seiner gesamten Laufbahn halte, was auch seinem fortgeschrittenen Alter geschuldet sei. Er nutze diese Liquidität, um gezielt bei Unternehmen nachzukaufen, die er auf seiner Watchlist hat und deren Bewertung attraktiv erscheint, wie jüngst bei CK Hutchison. Es gebe jedoch keine pauschale Regel für die optimale Cash-Quote. Jeder müsse für sich selbst eine Quote finden, mit der er auch in Stressphasen ruhig schlafen kann.
Für Anlegende in der Aufbauphase sei die Situation anders, da regelmäßig frisches Kapital aus dem Arbeitseinkommen nachfließe, so Leidinger. Unabhängig von der individuellen Strategie sei jedoch entscheidend, nicht wahllos zu verkaufen und bestehende Sparpläne konsequent weiterlaufen zu lassen. Ebenso wichtig sei eine breite Diversifikation, auch wenn in akuten Krisenphasen zunächst fast alle Anlageklassen gleichzeitig fallen. Langfristig helfe sie, das schlechteste Ergebnis zu vermeiden.
Wie wird sich die Weltwirtschaft in Zukunft verändern? Auch dazu tauschen sich die drei Experten aus. Eine provokante These von Helmut Jonen: Eine „Globalisierung ohne Amerika“ sei denkbar. Sollten sich die USA weiter abschotten, könnten die restlichen Wirtschaftsblöcke wie Europa und Asien enger zusammenrücken und ihre Handelsbeziehungen intensivieren. Der stabile Finanzhafen Singapur, aber auch Länder wie China oder Indonesien, böten erhebliches Potenzial, auch wenn Investitionen dort mit politischen Risiken und geringerer Transparenz verbunden seien.
Noah Leidinger gibt jedoch zu bedenken, dass die technologische und innovative Vormachtstellung der USA, gerade in Zukunftsfeldern wie KI, nicht zu unterschätzen sei. Die technologische Entwicklung werde durch die politische Lage nicht gestoppt; sie könnte sich durch den Wettbewerb der Blöcke sogar beschleunigen. Am Ende, so der Konsens, sei die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften ein entscheidender Faktor, der oft unterschätzt werde.
Abschließend gibt Christian Röhl dem Publikum mit auf den Weg, dass der Aufbau von Vermögen mit einem Marathon vergleichbar sei. Die aktuelle Marktphase mag unwegsam sein, doch die Prinzipien des Erfolgs blieben dieselben: eine kühle Analyse, eine langfristige Strategie und die Gelassenheit, auch stürmische Zeiten durchzustehen.
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